Mathilda hat geschrieben:
Für mich wirkt diese "Gefühlsoffenbarung" irgendwie im ersten Moment fast befremdlich. Aber es zeigt deutlich, dass sich hinter Besonnenheit, Beherrschung und Zurückhaltung sehr wohl Gefühle dieser Art verstecken. (....)Für mich ist sie eine echte Heldin.
Vielleicht ist das "Problem", dass S&S ja der einzige Austen-Roman ist, der zwei Heldinnen hat, die mehr oder weniger gleichberechtigt sind - auch wenn JAs Sympathien eindeutig bei Elinor liegen, während Marianne ein Demonstrationsobjekt für falsches, weil zu romantisches und gefühlsbetontes Verhalten ist. Vielleicht ist deshalb die Gestaltung Elinors nicht so überzeugend wie bei Anne, Fanny, Emma, Catherine oder Elizabeth? Elinor wirkt ja immer, als lebe sie mit angezogener Handbremse - klar hat sie große Gefühle, man muss es aber extra aufschreiben, damit es rüberkommt.... Also vielleicht hat sich Austen in diesem Roman einfach nicht so intensiv um beide Hauptfiguren "kümmern" können, wie es möglich wäre, gäbe es nur eine Heldin? Oder es hat damit zu tun, dass S&S ursprünglich ein Briefroman war?
Udo hat geschrieben:
@Caro: Wenn Brandon wirklich was von Elinors Gefühlen geahnt haben sollte, was durchaus möglich, wenn nicht wahrscheinlich ist....
Nach nochmaligem Lesen des 40. Kapitels ziehe ich das zurück - Brandon hatte sicher keinerlei Ahnung, dass Elinor in Edward verliebt ist und umgekehrt. Das wiederum finde ich fast seltsam, denn er war ja bei den endlosen Anspielungen Mrs. Jennings oft genug dabei. Egal.
Caro hat geschrieben:
Ja, weil wir mit unserer "eigennutzigen Liebe" einem anderen das Glück nicht gönnen. Wenn du jemanden wirklich liebst, willst du das derjenige glücklich ist, sellbst wenn nicht mit dir. Man stellt des anderen Glück über das eigene. Genau so sieht es auch Brandon. Er geht davon aus, dass Elinor alles tun würde, um Edward's Glück zu ermöglichen.
Das ist aber eine sehr idealistische Vorstellung von der "uneigennützigen Liebe". Zumindest Elinor scheint damit so ihre Probleme zu haben: "Aber auch wenn weniger reine, weniger angenehme Empfindungen sich unter ihre Emotionen mischten..." heißt es im Text. Elinor ist trotzdem dankbar, weil sie tiefe Hochachtung vor Brandons Großzügigkeit empfindet. Da kann sie ihre Empfindungen und den schuldigen Respekt vor dem Oberst gut auseinanderhalten - weil sie so vernünftig ist. Weil Brandon nichts von Elinors Liebe zu Edward weiß, glaube ich auch nicht, dass er davon ausgeht, "dass Elinor alles tun würde, um Edward's Glück zu ermöglichen".
Zitat:
Dabei geht es in erster Linie ja gar nicht um Edward und Lucy, sondern darum dass Edward sich sein Einkommen nun selbst verdienen muss und Brandon bietet ihm die Gelegenheit dazu. Natürlich will er damit auch die vermeintlich Liebenden unterstützen und ereifert sich über die Ungerechtigkeit.
Ja, Brandon ist überzeugt, dass sein Angebot den beiden nicht die Ehe ermöglicht (Elinor übrigens sehr wohl, was ihre unreinen Gefühle erklärt), aber trotzdem ist es genau dieser Punkt, nämlich dass Mrs. Ferrars die beiden trennen will, der ihn dazu bringt, ihnen zu helfen: "Die Grausamkeit, die unkluge Grausamkeit (...), zwei junge Menschen zu trennen oder zu trennen zu versuchen, die sich schon so lange lieben, ist schrecklich. Mrs Ferrars weiß ja nicht, was sie damit vielleicht anrichtet, wozu sie ihren Sohn vielleicht treibt." Wie wir wissen, weiß Brandon das nur zu gut. Das, denke ich, gibt den Ausschlag für sein Angebot, nicht die Empörung über die Ungerechtigkeit, die Edward widerfahren ist oder einfache Hilfsbereitschaft für einen Mann in Not, den er ja so gut wie gar nicht kennt. Das Angebot zeigt Brandons Selbstlosigkeit, vor allem aber, welche starken Gefühle in ihm rumoren. Er kommt zwar etwas dröge rüber, hat es aber faustdick hinter den Ohren...