So, ich habe inzwischen auch das Nachwort von Gisela Reichel gelesen, das ist die Übersetzerin der Diogenes-Ausgabe, die noch bei mir im Reagl stand.
Ich bin ein bisschen skeptisch, was das Nachwort angeht, da sie zum Beispiel einmal schreibt, dass Jane Austen dem Roman den Titel "Persuasion" gegeben hätte, aber das war meiner Information nach doch Austens Bruder, oder?
Egal, an anderer Stelle jedenfalls schreibt sie, ich dachte, das interessiert vielleicht noch, nach der Sonntagsdiskussion:
Zitat:
Jane Austens Weltanschauung verrät sich in "Die Liebe der Anne Elliot oder Überredungskunst" an einer Kleinigkeit. Anne Elliot kann kein rechtes Vertrauen zu Mr. Elliot fassen, weil er in jungen Jahren schlechte Gewohnheiten gehabt hat, weil er beispielsweise sonntags gereist ist. Dass man sonntags nicht reisen durfte, gehörte zu den festen Regeln strenger puritanischer Frömmigkeit.
Das passt auch zu dem, was ich im Kopf hatte, dass die Puritaner oder Calvinisten den Sonntag so strikt geregelt hatten, wie man es zum Beispiel vom jüdischen Sabbat kennt.
Dann geht es weiter:
Zitat:
Jane Austen ist allerdings keine strenge engherzige Puritanerin, die unbedingt jedes Vergnügen ablehnt. [...] Aber sie hat aus dem puritanischen Erbe übernommen, was ihr wertvoll erschien: Die Selbsterziehung des Menschen. Die Selbsterziehung beginnt damit, dass der Mensch sich selbst beobachtet. Dabei soll er seine eigenen Fehler und Schwächen erkennen, um sie zu überwinden. Er soll sich beherrschen lernen. Anne Elliot ist ein Mensch, der sich immer wieder selbst prüft und erzieht. Sie unterscheidet sich von den Heldinnen früherer und zeitgenössischer Heldinnen dadurch, dass sie nicht bei jeder Gelegenheit in Tränen ausbricht oder in Ohnmacht fällt. Sie unterscheidet sich von Mary, Hernietta und Louisa dadurch, dass sie nicht jeder Stimmung und Laune nachgibt. Sie hält ihre Gefühle und Meinungen zurück, um sich in die Gemeinschaft von Uppercross einzufügen. Aber sie weiß auch zur Rechten Zeit das Rechte zu sagen und zu tun. Nur wer sich selbst immer wieder erforscht und ermahnt, darf und kann fremde Charaktere erforschen und beurteilen.
Da stimme ich mit ihr überein. Genauso erschien mir Annes Charakter auch. Ob das jetzt eine tatsächlich 100%ig realistische Darstellung eines Menschen ist, ist eine andere Frage.
Aber mir macht das Anne definitiv sympathisch.
Am Ende des Essays stellt sie dann aber Jane Austen und Anne Elliot völlig gleich... das kann ich nun wieder nicht so nachvollziehen.
So oder so, ich finde es immer interessant ein bisschen Hintergrund zu lesen. Gibt es in den anderen Übersetzungen auch Kommentare oder Vor- oder Nachworte von den Übersetzern oder anderen?
Was Mrs. Clay angeht, schließe ich ich Tina an. Wäre Mrs. Clay nicht einfach verwitwet gewesen, wäre Jane Austen mit Sicherheit stärker daruf eingegangen.
Auch, dass sie dann, und wenn sie die Honig-ums-Maul-Schmier-Kunst noch so sehr beherrscht, bei Sir Walter und Elizabeth so willkommen gewesen wäre, kann ich mir nicht vorstellen.
Auch der Text, finde ich nach längerem Nachdenken, weist darauf hin, dass Mrs. Clay keinesfalls noch verheiratet ist.
Da steht "
after a [...] marriage". Also das schließt schon mal eine reine Trennung aus.
Genauso wie die schon zitierte Stelle, dass Mrs. Smith nicht die einzige Witwe ohne klangvollen Namen in Bath sei... das bezieht sich auch für mich eindeutig auf eine Witwenschaft Mrs. Clays.
(Auch in "Jane Austen und ihre Zeit" von Deirdre Le Faye wird sie als "Shepards verwitwete Tochter Mrs. Clay bezeichnet, allerdings auch ohne Erklärung.)