Ulli hat geschrieben:
... von Richardson auch nur eine Seite zu überspringen ist ein Anzeichen von Schwäche und mangelndem Standvermögen :wehe: ! ...
... solche "Drohungen" ziehen bei mir nicht... Ich bin in Fragen der Literatur ein alter Kämpe, dem man auf diese Art keine Angst machen kann...
Ulli hat geschrieben:
... Meinst Du mit dem Erfinder der Frauenliteratur Richardson? Der gilt allerdings als "Erfinder" des modernen Romans (der immerhin Lessing - Emilia Galotti - und Goethe - Werther - beeinflußt hat) nicht des Frauenromans. ...
Hallo Ulli,
wobei wir wieder beim Thema wären: Dass Richardson den modernen Roman erfunden haben soll, bestreite ich energisch... Den realistischen Roman hat Henry Fielding "erfunden". - Richardson war der natürliche Vorläufer von Marlitt und Courths-Mahler und er hat bei den sentimentalen Stürmern und Drängern Deutschlands einige literarische Wellen verursacht, aber das war's dann auch schon... Schon für Jane Austen waren er und seine Adepten nur noch kleine Hügelchen in der literarischen Landschaft, die sie schon in ihren Jugendwerken lächerlich machen und in ihren reifen Werken ohne sichtbare Mühe überspringen konnte...
Fielding begann seine literarische Karriere, nachdem seine sehr erfolgreichen Theaterstücke der Zensur zum Opfer fielen und er sich nach einem neuen Betätigungsfeld und einer einträglichen beruflichen Laufbahn umsah... Das war damals die Satire, die Parodie, die Streitschrift... Dabei fielen ihm der Briefroman Richardsons ins Auge, der seiner Meinung nach zuunrecht vom Publikum so hochgejubelt wurde. Also arbeitete er sich daran ab, schrieb eine Parodie ("Shamela") und wegen des guten Erfolgs eine zweite ("Joseph Andrews")... Und in diesem ("ersten") realistischen Roman kann man den Wechsel von der Parodie zur ernsthaften Beschäftigung mit dem Genre und seinen Möglichkeiten feststellen: nach ca. 4-5 Kapiteln schlägt das Werk langsam um und wird von der platten Parodie zum eigentlichen Roman, der bürgerlichen Kunstform, wie wir ihn heute kennen...
Bruki
PS: Als "Erfinderin des Frauenromans in Deutschland" wird LaRoche im Nachwort des "Sternheim" genannt. Sie hat sich im Vorwort ihres Briefromans ausdrücklich auf Richardson bezogen (den sie übrigens gemeinsam mit Fieldung nennt
). Das gesamte Thema, die Durchführung und - wie ich annehme - auch der Ton des Sternheim-Romans sind "in der Art von Richardson" verfasst worden... Das Werk wurde ausdrücklich als "Frauenroman" (ein Roman, der sich an die Frauen wendet) apostrophiert.
Evtl. geht LaRoche sogar etwas über Richardson hinaus, weil sie am Ende für ihre Heldin eine Art von Leben als "Wohltäterin" an der Seite eines "guten Lords" vorsieht, in dem sie mit dem Geld des Lords eine Schule für arme Mädchen gründen will, in der diese Mädchen zu Dienerinnen erzogen werden sollen...