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 Betreff des Beitrags: Charlotte Lucas Frauenrolle
BeitragVerfasst: Donnerstag 7. Juni 2007, 21:38 
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Romantikversessene Satiriopsychosophin
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Registriert: Freitag 13. April 2007, 20:37
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Ich mag die Figur der Charlotte Lucas sehr gerne und habe mir schon des öfteren Gedanken über sie gemacht.
Diese Gedanken möchte ich gerne mit euch teilen und bin gespannt, ob es vielleicht unter euch auch ein paar heimliche "Verehrer" ihrer Charaktere gibt.

Ich habe mir schon oft überlegt ob JA sie ganz bewusst als Gegenstück zu Lizzy geschaffen hat? Sie ist Lizzy in allem ebenbürtig. In Rang und Namen sogar noch über ihr, aber sie hat dieselben Qualitäten die wir an Lizzy so bewundern, -Intelligenz, Witz, Schlagfertigkeit, Selbstbewusstsein Menschenkenntnis u.s.w.-, völlig anders genutzt als Lizzy. Während Lizzy sich dadurch die Unabhängigkeit und Kontrolle sichern wollte, hat Charlotte sich desto bewusster auf das Unvermeidliche vorbereitet, nämlich, höchstwahrscheinlich einen Mann heiraten zu müssen den sie nicht liebt, und im Fall von Collins, vielleicht auch nur schwer achten konnte.

Das Motiv und die Ausgangslage der beiden Frauen war beinahe dieselbe, aber das Endresultat ein völlig anderes.

In gewisser Weise erscheint mir Charlotte in der klassischen Frauenrolle die damals vorherrschend war und Lizzy verkörpert für mich den neuen, modernen Frauentyp.

Wollte JA damit vielleicht wirklich, ganz bewusst, zwei verschiedene Wege aufzeigen die wir mit denselben Eigenschaften gehen können?
Wollte sie evtl. sogar den Frauen Mut machen auf ihre Gefühle zu achten und ihnen zu vertrauen? (Ein sehr revolutionärer Gedanke den ich in keinster Weise verteidigen könnte falls er angegriffen wird, da ich absolut kein JA - Expertin bin.)

Wie auch immer, ich empfinde Charlottes Haltung die sie in ihrem Leben und Schicksal einnahm trotzdem bewundernswert und vorbildlich.

Wie denkt ihr darüber?

Gruss
MJ

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Grüsschen, MJ


„Wenn Frauen unergründlich erscheinen, dann liegt es am fehlenden Tiefgang der Männer.“

Katharine Hepburn


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: Donnerstag 7. Juni 2007, 21:38 


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 Betreff des Beitrags: Re: Charlotte Lucas Frauenrolle
BeitragVerfasst: Freitag 8. Juni 2007, 14:15 
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Administratorin im Ruhestand und Tom-Lefroy-Expertin
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Registriert: Mittwoch 14. Juni 2006, 20:11
Beiträge: 3007
Ein wirklich interessanter Diskussionspunkt, Melody Joy! :ja:

Melody Joy hat geschrieben:
Ich habe mir schon oft überlegt ob JA sie ganz bewusst als Gegenstück zu Lizzy geschaffen hat?


Ich bin deiner Meinung, dass Charlotte gewissermaßen als Gegenbild von Elizabeth charakterisiert wird --- und das tut Jane Austen auch ganz bewusst im Roman --- wie z.B. an dieser Stelle:

"I see what you are feeling," replied Charlotte; "you must be surprised, very much surprised -- so lately as Mr. Collins was wishing to marry you. But when you have had time to think it all over, I hope you will be satisfied with what I have done. I am not romantic, you know; I never was. I ask only a comfortable home; and considering Mr. Collins's character, connexions, and situation in life, I am convinced that my chance of happiness with him is as fair as most people can boast on entering the marriage state."
Elizabeth quietly answered "Undoubtedly"; and after an awkward pause they returned to the rest of the family. Charlotte did not stay much longer, and Elizabeth was then left to reflect on what she had heard. It was a long time before she became at all reconciled to the idea of so unsuitable a match. The strangeness of Mr. Collins's making two offers of marriage within three days was nothing in comparison of his being now accepted. She had always felt that Charlotte's opinion of matrimony was not exactly like her own, but she could not have supposed it possible that, when called into action, she would have sacrificed every better feeling to worldly advantage.
(P&P Kap. 22)

Ich finde zwar nicht, dass sich Charlotte und Lizzie in sehr vielem ähnlich sind (was z.B. Schlagfertigkeit, Geist oder Witz betrifft), doch was das Selbstbewusstsein angeht, stimme ich dir zu --- und wenn wir zu der Menschenkenntnis kommen, so würde ich eher dazu tendieren zu behaupten, dass Charlotte ihrer Freundin in dieser Hinsicht sogar ein wenig voraus ist... Während Lizzie lange mit Blindheit geschlagen ist, ahnt Charlotte schon recht bald, was hinter der Merkwürdigkeit von Mr Darcys Verhalten stecken könnte...

"What can be the meaning of this?" said Charlotte, as soon as he was gone. "My dear Eliza, he must be in love with you, or he would never have called on us in this familiar way." (P&P, Kap. 32)

Melody Joy hat geschrieben:
Wollte JA damit vielleicht wirklich, ganz bewusst, zwei verschiedene Wege aufzeigen die wir mit denselben Eigenschaften gehen können?
Wollte sie evtl. sogar den Frauen Mut machen auf ihre Gefühle zu achten und ihnen zu vertrauen? (Ein sehr revolutionärer Gedanke den ich in keinster Weise verteidigen könnte falls er angegriffen wird, da ich absolut kein JA - Expertin bin.)


Jane Austen schildert (so sehe ich es) sehr häufig das Schicksal von Frauen, die sich für Heirat mit oder ohne Zuneigung/Liebe entscheiden müssen. Diese Frage taucht immer wieder auf und wird sowohl in ihren Romanen als auch in Janes Briefen thematisiert.

In Jane Austens Roman "The Watsons" wird das Thema gleich im ersten Kapitel angesprochen. Die Heldin, Emma Watson, sagt dort:

"...To be so bent on marriage, to pursue a man merely for the sake of situation, is a sort of thing that shocks me; I cannot understand it. Poverty is a great evil; but to a woman of education and feeling it ought not, it cannot be the greatest. I would rather be teacher at a school (and I can think of nothing worse) than marry a man I did not like." (Watsons, Kap.1)

Doch Emmas Einstellung wird auch die ihrer älteren Schwester gegenübergestellt --- die mich in ihrer Einstellung sehr an Charlotte Lucas erinnert!

"...you know we must marry. I could do very well single for my own part; a little company, and a pleasant ball now and then, would be enough for me, if one could be young forever; but my father cannot provide for us, and it is very bad to grow old and be poor and laughed at. I have lost Purvis, it is true; but very few people marry their first loves. I should not refuse a man because he was not Purvis." (Watsons, Kap.1)

Auch in P&P fragt ja Jane Bennet ihre Schwester ganz besorgt, als diese ihr von ihrer Verlobung mit Mr Darcy erzählt:

"And do you really love him quite well enough? Oh, Lizzy! do anything rather than marry without affection." (P&P, Kap. 59)

Dieser Satz erinnert mich wiederum sehr an ein Zitat aus einem Brief Jane Austens an ihre Nichte Fanny Knight, die sie in Liebesdingen um Rat fragte:

I ... entreat you not to commit yourself farther, and not to think of accepting him unless you really do like him. Anything is to be preferred or endured rather than marrying without affection (Brief an Fanny Knight vom 18. Nov. 1814)

Weiterhin schreibt sie auch:

...nothing can be compared to the misery of being bound without love -- bound to one, and preferring another; that is a punishment which you do not deserve. (Brief an Fanny Knight vom 30. Nov. 1814)

----------------------------------------------

Ich finde, um mal wieder zu Charlotte Lucas zurückzukommen, jedoch auch, dass Jane Austen in P&P zeigt, dass auch Frauen wie Charlotte glücklich und zufrieden werden können, wenn sie sich in ihr Schicksal fügen. Charlotte versteht es, sich mit ihrem lächerlichen Ehemann zu arrangieren --- sie wusste, was sie erwartet --- und führt zumindest nach außen hin kein todunglückliches Leben...

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Es ist besser den Mund zu halten und dumm zu erscheinen, als ihn zu öffnen und jeden Zweifel zu zerstreuen.
(Verfasser (mir) unbekannt --- Angelika meint, es sei Mark Twain... :biggrin: )


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BeitragVerfasst: Freitag 8. Juni 2007, 19:57 
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Romantikversessene Satiriopsychosophin
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Registriert: Freitag 13. April 2007, 20:37
Beiträge: 1064
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Nach dem ich einen äusserst spannenden, und aus Schweizersicht auch sehr befriedigenden Nachmitag bei den French Open verbracht habe :D (Federer im Finale :freu:), bin ich nun in bester Laune um weiter über das Thema zu diskutieren.

Alethea hat geschrieben:
ch finde zwar nicht, dass sich Charlotte und Lizzie in sehr vielem ähnlich sind (was z.B. Schlagfertigkeit, Geist oder Witz betrifft), doch was das Selbstbewusstsein angeht, stimme ich dir zu --- und wenn wir zu der Menschenkenntnis kommen, so würde ich eher dazu tendieren zu behaupten, dass Charlotte ihrer Freundin in dieser Hinsicht sogar ein wenig voraus ist...

Ja, ich stimme dir darin zu, dass Charlotte, Lizzy in Sachen Menschenkenntnis noch übertrifft. Sicher auch, weil sie ihr im Alter voraus war und weil in ihrem Charakter kein Stolz zu finden war.
Da sie über eine sehr nüchterne Persönlichkeit verfügte, hat sie auch ihre Umgebung mit derselben Nüchternheit betrachtet wie sich selbst.

Was mich nach wie vor brennend interessiert, ist, ob JA diese, sich grundsätzlich ebenbürtigen Frauengestalten wie Lizzy/Charlotte geschaffen hat um die Frauen ihrer Zeit herauszufordern mutig ihren Weg zu gehen; auf ihre Gefühle zu hören in diesem so wichtigen Bereich?
Wenn ja, schuf sie dann den Gegenpart zu diesen modernen Frauentypen vielleicht auch ganz bewusst, um die Gemüter (besonders die Männlichen :))die sicher mit äusserst kritischen Augen die Schriften einer Lady nach evtl. aufhetzerischem Inhalt durchforsteten, zu beruhigen? Denn sie lässt die Frauen die nach dem klassischen Rollenbild handeln, nie rückständig oder unklug erscheinen, sondern im Gegenteil, sie verleiht ihnen grosse Würde und innere Grösse.

Grüsschen
MJ :razz:

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Grüsschen, MJ


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BeitragVerfasst: Samstag 9. Juni 2007, 09:48 
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Emsige Missionarin für Jane Austen
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Registriert: Sonntag 15. Oktober 2006, 16:01
Beiträge: 1158
Also ich mag die Figur der Charlotte Lucas auch sehr gerne. Ich bin bei ihr leider ganz und gar nicht textsicher, aber mein Grundgefühl bei ihr nach Beenden des Buches war bzw. ist eines der Sympathie.
Natürlich finde ich es unmöglich, dass sie diesen unsäglichen Mr. Collins heiratet. Sie ist aber nun mal eine sehr realistische Figur. Mal ganz ehrlich: wenn ich mir vorstelle, ich hätte vor 200 Jahren gelebt, dann wäre es überaus wahrscheinlich, in Charlottes Situation letztendlich so wie sie zu handeln. Wenn man nicht gerade hübsch war und sich bisher kein Mann für einen interessierte, welche Möglichkeiten boten sich einem dann? Sehr wenige und keine gerade reizvollen.
Charlotte fühlt auch Verantwortung ihren Eltern gegenüber. Sie merkt, dass sie langsam zur Belastung für sie wird und möchte ihnen nicht ewig auf der Tasche liegen. Eine gute Beobachterin, die Situationen zutreffend einzuschätzen vermag, ist sie allemal ("...seine [Mr. Collins] Liebe zu ihr war wohl nur Einbildung." Kap. 22).
Und sollte man beim Lesen von P&P womöglich dazu abdriften, in einer romantischen Liebesgeschichte schwelgen zu wollen, ist sie es, die einen auf den Boden der Tatsachen zurückholt. :wink:

Heutzutage ist solch eine Situation viel leichter zu bewältigen. Niemals käme es einem in den Sinn, einen Mann zu heiraten, den man nicht liebt. Doch früher konnte man nicht so einfach mit den Konventionen brechen. Das halte ich mir immer wieder vor Augen, wenn ich ab und an geneigt bin, Charlottes Entscheidung für diese Ehe nicht gutzuheißen. Es ist leicht, sie aus heutiger Sicht zu verurteilen.

Was Jane Austen bei Anlegung der Figur im Sinn hatte, dazu kann ich rein gar nichts sagen, aber ich finde, JA hat Charlotte Lucas keineswegs unsympathisch beschrieben und zeigt damit Verständnis für deren Verhalten.

Alethea, Dir vielen Dank für die zahlreichen Textstellen!

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"To read ist to translate, for no two person's experiences are the same."
(W. H. Auden)

"Lesen heißt übersetzen, denn keine zwei Menschen teilen die gleichen Erfahrungen."


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BeitragVerfasst: Samstag 9. Juni 2007, 10:40 
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Administratorin im Ruhestand und Tom-Lefroy-Expertin
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Melody Joy hat geschrieben:
Was mich nach wie vor brennend interessiert, ist, ob JA diese, sich grundsätzlich ebenbürtigen Frauengestalten wie Lizzy/Charlotte geschaffen hat um die Frauen ihrer Zeit herauszufordern mutig ihren Weg zu gehen; auf ihre Gefühle zu hören in diesem so wichtigen Bereich?


Ich könnte mir vorstellen, dass Jane Austen dieses Ziel verfolgt hat. :ja: Ihre Briefe an ihre Nichte, in denen sie sie ja quasi dazu ermutigt, auf ihr Herz zu hören, nicht den erstbesten zu nehmen und nicht "without affection" zu heiraten, lassen diesen Schluss ebenso zu.

Hier ist eine andere Stelle, die Jane Austens Sicht darauf deutlich macht:

When I consider how few young men you have yet seen much of; how capable you are (yes, I do still think you very capable) of being really in love; and how full of temptation the next six or seven years of your life will probably be (it is the very period of life for the strongest attachments to be formed), -- I cannot wish you, with your present very cool feelings, to devote yourself in honour to him. It is very true that you never may attach another man his equal altogether; but if that other man has the power of attaching you more, he will be in your eyes the most perfect. (Brief an Fanny Knight, 30. November 1814)

(Man merkt aber auch an den beiden Briefen an Fanny, wie sehr Jane Austen hin und hergerissen ist. Sie hat einerseits, wie mir scheint, Angst, Fanny den falschen Ratschlag zu geben, andererseits will sie aber auch nicht, dass Fanny heiratet und unglücklich in ihrer Ehe wird.)

Ich halte es für durchaus möglich, dass Jane Austen mit den Frauengestalten in ihren Romanen, und deren Entscheidungen, auch Einfluss auf ihre Leserinnen ausüben wollte. :ja:

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BeitragVerfasst: Samstag 9. Juni 2007, 15:30 
Alethea hat geschrieben:

Ich halte es für durchaus möglich, dass Jane Austen mit den Frauengestalten in ihren Romanen, und deren Entscheidungen, auch Einfluss auf ihre Leserinnen ausüben wollte. :ja:


Und für sich selbst die Rechtfertigung trifft, warum sie sich selbst - angesichts all dieser Unabwägbarkeiten - nicht für eine Partnerschaft entschlossen hat.
(Aber das ist ziemlich OFF in diesem Thread)


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BeitragVerfasst: Samstag 9. Juni 2007, 15:31 
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Ich finde, man muss bei dieser Diskussion auch immer beachten, WER vor die Frage gestellt wird, ob er aus Geld oder Liebe heiraten soll...

Fanny Knight kam aus reicher Familie und konnte sich eventuell auch leisten, gar nicht zu heiraten --- ob Jane Austen einer Frau wie Charlotte Lucas diesen Ratschlag erteilt hätte, die nicht besonders hübsch und schon "in die Jahre" gekommen ist (damals war man ja mit Ende 20 schon eine alte Jungfer...), wage ich zu bezweifeln. Jane Austen war, so sehe ich das, selbst sehr praktisch veranlagt, und nicht schwärmerisch romantisch.

Charlotte Lucas' Erörterung für ihre Gründe zum Heiraten werden von Jane Austen sachlich, nachvollziehbar und vernünftig dargelegt --- fast mag man Gefahr laufen, insgeheim Lizzie vorzuwerfen, sie habe sich unvernünftig verhalten, dass sie mit ihrer Aussicht auf Mitgift einen Antrag abgelehnt hat...

Dann wiederum aber belohnt Jane Austen ihre Heldin dafür, dass sie auf ihr Herz vertraut hat, damit, dass sie einen der reichsten Männer in ganz England heiratet --- wofür natürlich im wahren Leben die Chance 1:100 steht... :wink:

Bemerkenswert ist jedoch, dass alle Heldinnen Jane Austens letztendlich aus Liebe heiraten --- wenn das mal nichts zu bedeuten hat! :biggrin:

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BeitragVerfasst: Samstag 9. Juni 2007, 16:24 
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Romantikversessene Satiriopsychosophin
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MJ hat geschrieben:
Was mich nach wie vor brennend interessiert, ist, ob JA diese, sich grundsätzlich ebenbürtigen Frauengestalten wie Lizzy/Charlotte geschaffen hat um die Frauen ihrer Zeit herauszufordern mutig ihren Weg zu gehen; auf ihre Gefühle zu hören in diesem so wichtigen Bereich?
Alethea hat geschrieben:
Ich halte es für durchaus möglich, dass Jane Austen mit den Frauengestalten in ihren Romanen, und deren Entscheidungen, auch Einfluss auf ihre Leserinnen ausüben wollte.

Das finde ich überaus faszinierend, besonders weil sie, soweit ich weiss, für ihr modernes Frauenbild nicht angefeindet wurde. :?:

Amadea hat geschrieben:
Heutzutage ist solch eine Situation viel leichter zu bewältigen. Niemals käme es einem in den Sinn, einen Mann zu heiraten, den man nicht liebt. Doch früher konnte man nicht so einfach mit den Konventionen brechen. Das halte ich mir immer wieder vor Augen, wenn ich ab und an geneigt bin, Charlottes Entscheidung für diese Ehe nicht gutzuheißen.

Grundsätzlich stimme ich dem natürlich zu, obwohl die Vernunftehe in weiten Teilen der Welt immer noch gang und gäbe ist.
Aber das es leichter, oder besser ist aus Liebe zu heiraten, ist, wenn man die Scheidungsstatistiken ansieht, eher in Frage zu stellen. :|
Nicht das ich jetzt für die Vernunftehe plädieren möchte, aber ich finde, dass gerade in diesem Bereich Charlotte, und die vielen anderen Frauen der Literatur, auch zum Vorbild werden könnten, nämlich in dem Sinn, dass sie ihr Glück in der Ehe nicht vom Gefühl ihrem Mann gegenüber abhängig gemacht haben, sondern sehr praktisch nach Nischen suchten, wo sie sich selbst verwirklichen konnten. Sei es im Kinder bekommen und grossziehen, im Garten, im Nähen, Lesen oder Gesellschaften geben usw.
Auch die Kriterien wonach ein Mann im Normalfall ausgesucht, bzw. beurteilt wurde, konnte später bestimmt über so manche Hürde die ja jede Ehe zu bewältigen hat, hinweg helfen.
Ohne den Mahnfinger erheben zu wollen, wünschte ich mir manchmal, es würden mehr "vernünftige" Gründe zur Heirat ins Feld geführt als "nur" das Argument der Liebe.
Charlotte hatte keinerlei falsche Erwartungen an ihren Gatten und konnte deshalb auch nur sehr schwer ent-täuscht werden.

Alethea hat geschrieben:
Bemerkenswert ist jedoch, dass alle Heldinnen Jane Austens letztendlich aus Liebe heiraten --- wenn das mal nichts zu bedeuten hat!

Das stimmt! :ja:
Aber soweit ich weiss, hat z.B. keine unter ihrem Stand geheiratet.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass JA einer solchen Ehe sehr viel Chance auf anwährendes Glück gegeben hätte.

...und ja, vielen Dank Alethea, für die vielen interessanten Textstellen.

Gruss
MJ :danke:

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Katharine Hepburn


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BeitragVerfasst: Samstag 9. Juni 2007, 16:50 
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Melody Joy hat geschrieben:
Aber soweit ich weiss, hat z.B. keine unter ihrem Stand geheiratet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass JA einer solchen Ehe sehr viel Chance auf anwährendes Glück gegeben hätte.


Bei den Protagonistinnen kommt es tatsächlich nicht vor.
Doch Fanny Price' Eltern in MP sind ein Beispiel für eine Ehe unterm Stand --- wobei ich mich nun nicht mehr erinnern kann, wie Jane Austen diese Ehe im Roman beschreibt (ich fürchte, ich bin da zu sehr vom Film eingefärbt...)

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BeitragVerfasst: Samstag 9. Juni 2007, 16:53 
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Melody Joy hat geschrieben:
Das finde ich überaus faszinierend, besonders weil sie, soweit ich weiss, für ihr modernes Frauenbild nicht angefeindet wurde. :?:


Mir ist ebenfalls nicht bekannt, dass sie dafür angefeindet wurde. Bisher ist mir diesbezüglich in Kritiken ihrer Zeit noch nichts untergekommen.

Wohlgemerkt, der Herr Prinzregent persönlich wollte, dass sie ihm ihren Roman "Emma" widmet! :biggrin:

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BeitragVerfasst: Samstag 9. Juni 2007, 17:35 
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MJ hat geschrieben:
Das finde ich überaus faszinierend, besonders weil sie, soweit ich weiss, für ihr modernes Frauenbild nicht angefeindet wurde.
Alethea hat geschrieben:
Mir ist ebenfalls nicht bekannt, dass sie dafür angefeindet wurde. Bisher ist mir diesbezüglich in Kritiken ihrer Zeit noch nichts untergekommen.
Wohlgemerkt, der Herr Prinzregent persönlich wollte, dass sie ihm ihren Roman "Emma" widmet!


Könnte es dann vielleicht wirklich sein, dass sie bewusst diese wunderbare, einzigartige Balance zwischen traditionellem- und modernem Frauenbild geschaffen hat um damit, ohne Anstoss zu wecken, langsam eine Frucht des neuen Selbst-Verständnis der Frau mit erwirkt hat? Wäre dies von ihrem Hintergrund und Intellekt denkbar oder hatte sie ganz einfach ein sensibles Verständnis für die gesellschaftlichen Zwänge und Ordnungen und hat so intuitiv diese Ausgewogenheit in ihren Romanen geschaffen?
Sozusagen aus dem Bauch heraus?

Gruss
MJ :)

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BeitragVerfasst: Sonntag 10. Juni 2007, 15:18 
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Administratorin im Ruhestand und Tom-Lefroy-Expertin
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Registriert: Mittwoch 14. Juni 2006, 20:11
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Hmmm... Das ist schwer zu beantworten... Da muss ich erst mal eine Weile drüber nachdenken...

(Es wäre mal interessant zu erfahren, was unsere Austen-Experten dazu sagen...Wo seid ihr alle?!? :eek: )

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BeitragVerfasst: Montag 11. Juni 2007, 07:37 
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Matthews spezielle Weinlieferantin
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Registriert: Donnerstag 29. Juni 2006, 18:47
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Melody Joy hat geschrieben:
Ohne den Mahnfinger erheben zu wollen, wünschte ich mir manchmal, es würden mehr "vernünftige" Gründe zur Heirat ins Feld geführt als "nur" das Argument der Liebe.
Charlotte hatte keinerlei falsche Erwartungen an ihren Gatten und konnte deshalb auch nur sehr schwer ent-täuscht werden.


Melody Joy hat geschrieben:
Alethea hat geschrieben:
Bemerkenswert ist jedoch, dass alle Heldinnen Jane Austens letztendlich aus Liebe heiraten --- wenn das mal nichts zu bedeuten hat!

Das stimmt! :ja:
Aber soweit ich weiss, hat z.B. keine unter ihrem Stand geheiratet.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass JA einer solchen Ehe sehr viel Chance auf anwährendes Glück gegeben hätte.


Ähm, Einspruch! :wink: In Persuasion hat Annes Schwester unter ihrem Stand geheiratet, was ihr der Vater auch etwas zum Vorwurf macht. Und im Gegensatz zu MP ist ihre Ehe auch noch glücklich zu nennen... Und dann natürlich meine liebe Anne (nach Lizzy meine liebsten JA Figur...ob das vom alten Film kommt?), die auch nach Gründen der Liebe heiratet und nicht nach der Vernunft. Dann hätte sie ihren Cousin gewählt und den Stammsitz wie auch den Titel der Familie "erhalten".
Und ich denke, dass heute häufig sexuelles Begehren mit Liebe verwechselt wird. Ohne jetzt moralisch werden zu wollen, frage ich mich, ob es evtl. auch damit zusammenhängt, dass heute viele zu früh Sex miteinander haben? Und dann feststellen, dass sie außer dem Sex nichts gemein haben? Und dann in unglücklichen Verbinungen stecken, teilweise mit Kindern auf einmal alleine da stehen.
Oder Marianne. Sie wird ja relativ schnell damit konfrontiert, dass sie sich ebenso hat täuschen lassen. Wie sagte sie? Er hat mich nicht genug geliebt... Dann hört sie eher auf ihren Verstand und die Liebe folgt nach. JA schreibt ja, dass sie ihren Ehemann genauso geliebt hat wie vorher Willoughby. Wenn nicht sogar noch mehr, wage ich zu behaupten.

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Schritte wagen im Vertraun auf einen guten Weg, Schritte wagen im Vertraun das letztlich ER mich trägt, Schritte wagen weil im Aufbruch ich nur sehen kann, für mein Leben gibt es einen Plan.
Clemens Bittlinger


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BeitragVerfasst: Montag 11. Juni 2007, 10:26 
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D'Arcy-Expertin mit Adelsaffinität
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Hm, also ich denke, daß auch Charlotte Lucas dem gängigen Frauenbild nicht wirklich entsprach, sondern auf ihre Art, ebenso wie Lizzy ein Vorbild sein sollte.
Charlotte kann es sich, wie sie sagt, nicht leisten auf die große Liebe zu warten und Herz über Verstand zu setzen. Sie ist übrigens der aktive Part in der Verbindung zu Collins, hat vermutlich den Anstoß zur Verlobung gegeben, weil sie stark ist und vorher genau überlegte, welche Vorteile und Nachteile diese Ehe bringen würde. Für Charlotte haben, nach ganz realistischer Einschätzung ihrer eigenen Möglichkeiten, die Vorteile dieser Ehe überwogen. Collins ist nicht der klügsten einer, aber er ist nicht agressiv, nicht boshaft, und sie hat von seiner Seite nichts zu befürchten. Das ist mehr, als damals manch andere Frau von ihrem Gatten zu erwarten hatte. Man darf nicht vergessen, daß sie nicht von der Familie in eine ungeliebte Ehe gedrängt wurde, sondern eben selbst aktiv wurde um sich den Ehemannn zu sichern, der ihr Versorgung und ein gutes Leben versprach. Von der Liebe allein kann man nicht leben, nicht abbeissen, und noch weniger, wenn sie keine Anstalten macht sich zu zeigen ... :wink:

Auch Charlotte ist in diesem Sinne eine moderne, weil aktive und kluge Frau, die gemäß vernünftiger Erwägungen handelt und sich gerade nicht ängstlich und klagend ihrem Schicksal ergibt, wie es die normale Frauenrolle vorsah. Und sie ist eben auch intelligent genug, einen Mann wie Collins im Griff zu haben, ohne ihn diese Macht spüren zu lassen und ihn damit in der Gesellschaft als Pantoffelhelden stehen zu lassen. Eine Kunst die schwer zu lernen und noch schwerer zu beherrschen ist ... :D

Manchmal ist es klüger, wie Charlotte, die Zukunft in die eigene Hand zu nehmen, die Realitäten zu akzeptieren und zum eigenen Vorteil zu nutzen bzw. zu verändern, manchmal wie Lizzy der Herzensbildung Vorzug zu geben. Ob Charlotte oder Lizzy in ihren Ehen glücklicher sind, vermag ich nicht wirklich zu beurteilen. Die Romantikerin in mir sagt "Lizzy", die Realistin sieht in beiden Verbindungen Chancen und Nebenwirkungen. :wink:

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:blume: Grüsse, Caro

Avatar: Amelia Darcy (1754-1784)

Für 1 Jahr säe einen Samen, für 10 Jahre pflanze einen Baum, für 100 Jahre erziehe einen Menschen. chin. Weisheit


Zuletzt geändert von Caro am Montag 11. Juni 2007, 11:16, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: Montag 11. Juni 2007, 10:40 
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Austenexperte
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Tina hat geschrieben:
Und ich denke, dass heute häufig sexuelles Begehren mit Liebe verwechselt wird. Ohne jetzt moralisch werden zu wollen, frage ich mich, ob es evtl. auch damit zusammenhängt, dass heute viele zu früh Sex miteinander haben? Und dann feststellen, dass sie außer dem Sex nichts gemein haben? Und dann in unglücklichen Verbinungen stecken, teilweise mit Kindern auf einmal alleine da stehen.


Über die falschen und richtigen Gründe heute geschlossener Ehen können wir ja vielleicht woanders diskutieren. Wir dürften hier diesbezüglich ein paar Erprobte haben, die ja dann ihre Erfahrungen mitteilen können.

Ich denke, daß Austen schlicht ein Kaleidoskop von Ehen präsentieren wollte. Das Mißgeschick bei den Eltern Bennet, die Versorgungsehe bei Charlotte, die sexerprobte Beziehung Lydia/Wickham, die harmonische von Jane und Bingley und die sicher nicht unkomplizierte, dafür aber spannende Beziehung von Elisabeth und Darcy.

Mir hat Charlotte mit ihrem durch Romantik so unverstellten Blick auf die Tatsachen des Lebens immer gefallen. Sämtlichen Backfischkram scheint sie hinter sich oder gar nicht erst erlebt zu haben. Wenn ein gleichgewichtiger Partner auch zweifellos passender gewesen wäre, so hat sie im konventionellen Rahmen sich die Möglichkeiten geschaffen, glücklich zu sein.

Inwieweit Austen die Ehen von Charlotte und Elisabeth direkt im Vergleichstest sehen wollte, weiß ich nicht. Es ist ja nur eine Spielmöglichkeit von mehreren.


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BeitragVerfasst: Montag 11. Juni 2007, 11:59 
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D'Arcy-Expertin mit Adelsaffinität
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Registriert: Mittwoch 28. Juni 2006, 11:57
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@Melody Joy
Wobei das unter dem Stand heiraten, sich wohl bei Janes Heldinnen schon allein aus dem Grund verbat, weil Jane in der Mehrheit über den niedrigen und/oder titellosen Landadel schrieb, bzw. Menschen, die sich in der Gentry oder der Mittelschicht (Anwälte, reiche Kaufleute) bewegten, und ab und an an ein Lord (Onkel Fitzwilliam) oder Osborne nur schmückendes Beiwerk waren. Das heißt ihre Heldinnen hätten sich (um unter ihrem Stand zu heiraten) zum arbeitenden Volk herabbewegen müssen, also zur untersten Schicht und wie sollte sich aus einem solchen Thema eine positive oder schöne Geschichte ergeben?
Natürlich hätte sich Lizzy theoretisch in einen Pferdeknecht verlieben können, oder in den Sohn eines Verwalters, eines einfachen Händlers aus Meryton und mit ihm nach Gretna Green durchbrennen können. Aber hätten ihre Zeitgenossen diese Geschichte wirklich lesen wollen? Romantik und Abenteuer ja, Piraten und Seehelden, die Geschichten eines Casanovas etc., amouröse Heimlichkeiten einer Lady Sowieso, aber nicht wirklich über den Alltag einer Waschfrau oder die Gattin eines Pferdeknechtes.

Zu jener Zeit bedeutete (wie man ja bei den Prices sieht) eine Ehe unter dem Stand der Gentry zumindest im Falle der Frau den sozialen Niedergang, weil sie zu seinen Lebzeiten keine Möglichkeit hatte, sich über ihren Mann zu erheben. Er hingegen konnte durch günstige Spekulationen, Glücksspiel, einen Posten in der Army oder Navy, reiche Verwandte und einflussreiche Freunde seine Zukunft verändern, seine Gelder mehren und sogar Landbesitz erwerben, für das House of Commons kandidieren und für Verdienste geadelt werden. Frauen war dies alles nicht möglich. Zumal ein Mann, der unter seinem Stand heiratete, ja seinen eigenen Status nicht verlor, sondern "nur" seinen Besitz und seine Titel nicht vermehrte.

Das heisst, Liebe hin, Liebe her, eine Frau mußte innerhalb ihres Standes, besser noch darüber heiraten, wollte sie nicht alle sozialen Kontakte verlieren und ihren zukünftigen Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen.
Wäre Lizzy mit einem Pferdeknecht oder einem einfachen Verwalter glücklich geworden? Sicher nicht.
Wäre Lydia mit einem Pferdeknecht glücklich geworden? Auch sie nicht, denn er hätte ihren fianziellen Ansprüchen eben auch nicht genügen können.
Fanny Price hatte ja selbst das negative Beispiel vor Augen und konnte dem armseligen Heim und Alltag der Eltern nichts abgewinnen.
Und auch Charlotte Lucas heiratet ja nicht unter ihrem Stand. Collins ist als Kirchenmann ebenso in der Gentry, wie ihr Vater, der ja lediglich den Ritterschlag erhielt, ein Titel der nicht vererbbar ist, und den die Familie nach seinem Tod wieder verliert.

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BeitragVerfasst: Montag 11. Juni 2007, 12:25 
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Tina hat geschrieben:
Melody Joy hat geschrieben:
Alethea hat geschrieben:
Bemerkenswert ist jedoch, dass alle Heldinnen Jane Austens letztendlich aus Liebe heiraten --- wenn das mal nichts zu bedeuten hat!

Das stimmt! :ja:
Aber soweit ich weiss, hat z.B. keine unter ihrem Stand geheiratet.


Ähm, Einspruch! :wink: In Persuasion hat Annes Schwester unter ihrem Stand geheiratet, was ihr der Vater auch etwas zum Vorwurf macht.


Bei "Jane Austens Heldinnen" denke ich eigentlich nur an die Hauptcharaktere (ich denke, Melody Joy auch?) --- Lizzie Bennet, Eleanor/Marianne Dashwood, Catherine Morland, Fanny Price, Emma Woodhouse, Anne Eliot.
Klar, kommen bei den Nebencharakteren andere Schicksale vor.

Tina hat geschrieben:
Und dann natürlich meine liebe Anne (nach Lizzy meine liebsten JA Figur...ob das vom alten Film kommt?), die auch nach Gründen der Liebe heiratet und nicht nach der Vernunft. Dann hätte sie ihren Cousin gewählt und den Stammsitz wie auch den Titel der Familie "erhalten".


Wentworth kann man aber, nach dem Wiedersehen, und dem gesellschaftlichen Aufstieg, nicht mehr unbedingt als "unter Annes Stand" bezeichnen. :nein: Das war er vorher mal, aber nicht mehr, als der Roman einsetzt.

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BeitragVerfasst: Montag 11. Juni 2007, 12:39 
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Melody Joy hat geschrieben:
Könnte es dann vielleicht wirklich sein, dass sie bewusst diese wunderbare, einzigartige Balance zwischen traditionellem- und modernem Frauenbild geschaffen hat um damit, ohne Anstoss zu wecken, langsam eine Frucht des neuen Selbst-Verständnis der Frau mit erwirkt hat? Wäre dies von ihrem Hintergrund und Intellekt denkbar oder hatte sie ganz einfach ein sensibles Verständnis für die gesellschaftlichen Zwänge und Ordnungen und hat so intuitiv diese Ausgewogenheit in ihren Romanen geschaffen?
Sozusagen aus dem Bauch heraus?


Ich finde die Frage noch immer schwer zu beantworten --- und irgendwie fühle ich mich nicht wirklich in der Lage, sie mit meinem Wissensstand über Jane Austen zu beantworten... :naja:

Nach längerem Überlegen tendiere ich jedoch zu letzterem, einfach aus dem Grund, weil Jane Austens Romane und die darin geschilderten Frauencharaktere nicht so modern und neuartig waren, dass sie Aufsehen erregt haben. Jane Austen war Teil ihrer Gesellschaft, lehnte sich nicht gegen die gesellschaftlichen Normen auf, sondern akzeptierte sie, oder "verurteilte" sogar vielmehr, wenn sie gebrochen wurden. Sie schrieb über Menschenschicksale, dir ihr selbst begegnen oder widerfahren könnten.

Ich denke noch immer, sie schilderte bewusst ein solches Gegensatz-Paar wie Lizzie und Charlotte und bot damit zwei Wege dar --- es ist durchaus denkbar, dass sie ihren Lesern und Leserinnen (wie wohl jeder Autor) eine Botschaft vermitteln wollte, Beispiele geben wollte, wie man innerhalb der gegebenen Normen und gesellschaftlichen Regeln glücklich werden kann, aber mein Eindruck von Austen ist niemals der gewesen, dass sie eine gesellschaftliche Veränderung herbeiführen wollte.

Aber wie bereits gesagt --- das ist lediglich mein Eindruck.

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BeitragVerfasst: Montag 11. Juni 2007, 13:50 
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Zitat:
Wentworth kann man aber, nach dem Wiedersehen, und dem gesellschaftlichen Aufstieg, nicht mehr unbedingt als "unter Annes Stand" bezeichnen. :nein: Das war er vorher mal, aber nicht mehr, als der Roman einsetzt.


Ich denke aber doch, dass Anne (so wird das auch in Grawe beschrieben) in den Augen ihres Vaters gesellschaftlich gesehen wie ihre Schwester abstieg. Schlimmer eigentlich: durch sie ging der Titel und das Stammhaus verlustig...Lediglich der Reichtum sprach aus Sicht des Vaters mehr für Frederick als für den "Bauern" ihrer Schwester.
Grawe betont, dass Anne sich der Zukunft zuwendet (sogar eindeutiger als Lizzy) und ihre übrige Familie der Vergangenheit behaftet ist.

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@Tina
Das versteh ich jetzt nicht ganz. Wie kann die Familie durch einen Gatten (welchen auch immer) ihren Titel verlieren? Ein Titel ist entweder vererbbar oder nicht, und das meist auf Linie der Söhne. Ist ein Titel und Besitz auch auf Töchter übertragbar, gehen diese auch durch Heirat nicht verloren. Es sei denn, Anne hätte den männlichen Erben (also Cousin?) geheiratet und alles wäre in der Familie geblieben.

Was Grawe damit meint ist eher, daß sich Militär und Navy bzw. deren Mitglieder durch ihre Verdienste inzwischen gesellschaftliche Anerkennung erworben hatten und in die Gentry einzogen, weil viele von ihnen durch neuerworbenen Reichtum zu Landbesitzern aufsteigen, die verarmtem oder verschuldetem Adel die Besitztümer abkauften, wie auch Kaufleute und Händler.

Es gab einige wenige Aristokraten, die das akzeptierten, die meisten rümpften über die Neureichen die Nase, vor allem Baronets und Ritter, die ja die Spitze der Gentry bildeten und selbst keinen Sitz im House of Lords hatten. So wird es Annes Vater sehen, für Anne selbst ist aber ein Admiral oder Capitän genausogut wie titelloser Landadel, zumal wenn ein Besitz im Spiel ist, womit sie ja recht hat. Wentworth stehen für die Zukunft alle Möglichkeiten offen ... :wink:

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Genau das habe ich geschrieben.

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Tina hat geschrieben:
Genau das habe ich geschrieben.

Nicht ganz ... :)
Tina hat geschrieben:
... Schlimmer eigentlich: durch sie ging der Titel und das Stammhaus verlustig...

Sorry, aber ich hatte es so verstanden, daß Anne am Verlust des Titels die Schuld trägt ...

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Ich wollte damit die Sicht ihrer Familie, besonders die ihres Vaters und der ältesten Schwester wiedergeben. Aus diesem Blickwinkel KÖNNTEN sie es so auslegen. Aber zum Glück hat Wentworth (für Annes Familie!) Reichtum ansammeln können...
Vielleicht habe ich das nicht deutlich genug geschrieben.
Ich meinte es wirklich so wie du es geschrieben hast.

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Sorry, war dann mein Fehler ... :)

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Tina hat geschrieben:
Zitat:
Wentworth kann man aber, nach dem Wiedersehen, und dem gesellschaftlichen Aufstieg, nicht mehr unbedingt als "unter Annes Stand" bezeichnen. :nein: Das war er vorher mal, aber nicht mehr, als der Roman einsetzt.


Ich denke aber doch, dass Anne (so wird das auch in Grawe beschrieben) in den Augen ihres Vaters gesellschaftlich gesehen wie ihre Schwester abstieg.


In den Augen Sir Eliots, dessen Lieblingsbuch die Baronetage ist und für den es nichts Schöneres auf der Welt gibt, als den Eintrag seiner eigenen Familie darin zu lesen, ist es gewiss ein gesellschaftlicher Abstieg. :rofl:

Für normale Leute, wie Jane Austen, war Wentworth aber sicherlich nicht "unter Annes Stand", sondern ihr genau ebenbürtig.

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BeitragVerfasst: Dienstag 12. Juni 2007, 11:31 
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Aber eigentlich heißt dieser Thread ja "Charlotte Lucas' Frauenrolle" und wir sollten vielleicht mal wieder dahin zurückkehren... :biggrin:

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 Betreff des Beitrags: Re: Charlotte Lucas Frauenrolle
BeitragVerfasst: Mittwoch 20. August 2008, 10:34 
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Tina hat geschrieben:

Ähm, Einspruch! :wink: In Persuasion hat Annes Schwester unter ihrem Stand geheiratet, was ihr der Vater auch etwas zum Vorwurf macht. Und im Gegensatz zu MP ist ihre Ehe auch noch glücklich zu nennen... Und dann natürlich meine liebe Anne (nach Lizzy meine liebsten JA Figur...ob das vom alten Film kommt?), die auch nach Gründen der Liebe heiratet und nicht nach der Vernunft. Dann hätte sie ihren Cousin gewählt und den Stammsitz wie auch den Titel der Familie "erhalten".
Und ich denke, dass heute häufig sexuelles Begehren mit Liebe verwechselt wird. Ohne jetzt moralisch werden zu wollen, frage ich mich, ob es evtl. auch damit zusammenhängt, dass heute viele zu früh Sex miteinander haben? Und dann feststellen, dass sie außer dem Sex nichts gemein haben? Und dann in unglücklichen Verbinungen stecken, teilweise mit Kindern auf einmal alleine da stehen.
Oder Marianne. Sie wird ja relativ schnell damit konfrontiert, dass sie sich ebenso hat täuschen lassen. Wie sagte sie? Er hat mich nicht genug geliebt... Dann hört sie eher auf ihren Verstand und die Liebe folgt nach. JA schreibt ja, dass sie ihren Ehemann genauso geliebt hat wie vorher Willoughby. Wenn nicht sogar noch mehr, wage ich zu behaupten.


Unwiedersprochen wahr.
Nur eines will mir dann nicht in den Kopf.
Warum wollte Jane Austen angesichts dessen unbedingt aus Liebe heiraten.
Die Möglichkeit eine Vernunftehe zu schliessen hatte sie.

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 Betreff des Beitrags: Re: Re:
BeitragVerfasst: Mittwoch 20. August 2008, 10:55 
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Caroline Amalie hat geschrieben:
Unwiedersprochen wahr.
Nur eines will mir dann nicht in den Kopf.
Warum wollte Jane Austen angesichts dessen unbedingt aus Liebe heiraten.
Die Möglichkeit eine Vernunftehe zu schliessen hatte sie.

Ja, JA sagt sogar, sie selbst würde lieber als Gouvernante ihr Leben fristen, als ohne Liebe zu heiraten. Obwohl sie Jane Fairfax etwas von Nachstellungen der Dienstherren, oder so ähnlich sagen lässt, was wie wir wissen, tatsächlich üblich war. Eine hübsche, junge Frau musste damit rechnen, auch mit Belästigung höheren Dienstpersonals. :boese:

Ich denke Janes Angst hat mehr mit ehelicher Körperlichkeit, als echter Lebensphilosophie zu tun. Es muss für sie schlichtweg ein Horror gewesen sein, sich von einem ungeliebten Menschen begatten zu lassen, denn anders kann man ehelichen Vollzug in dem Zusammenhang nicht nennen.

Ich denke mal, sie verurteilte weder das Eine , noch das Andere und fand, die Frau müsste sich selbst entschieden, welche Prioriäten sie habe und was sie im Namen der Familie, der Sicherheit und eines gesellschaftlichen Ranges in Kauf nehmen wollte.

Persönlich gibt sie der Liebe den Vorzug, was man ja auch bei Marianne sieht, deren Vernunftehe sich rasend schnell zu einer Liebesehe entwickelt. Die einzige Verlobung bzw. Ehe einer Heldin, die aus Vernunftgründen beginnt und in Liebe mündet.

Charlotte Lucas widerum sieht das anders. Jeder Mann, der nicht zu Gewalt neigt (gehen wir einmal davon aus, dass Collins im Herzen sanftmütig ist) ist ihr recht und billig. Für sie gäbe es nichts schlimmeres, als ihren gesellschaftlichen Rang zu verlieren. Ich kann beide Standpunkte verstehen und muss auch hier sagen, wäre ich an Charlottes Stelle gewesen, was hätte ich wohl getan? Collins ist lächerlich und die Meinung meiner Freundin hätte sicher meinen Stolz angekratzt, aber auch hier stellt sich die Frage, wieviel einem der eigene Stolz wert ist.
Stolz wärmt dich nicht, und du kannst nicht davon abbeissen! :wink:

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 Betreff des Beitrags: Re: Re:
BeitragVerfasst: Mittwoch 20. August 2008, 11:10 
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Caro hat geschrieben:
Ja, JA sagt sogar, sie selbst würde lieber als Gouvernante ihr Leben fristen, als ohne Liebe zu heiraten. Obwohl sie Jane Fairfax etwas von Nachstellungen der Dienstherren, oder so ähnlich sagen lässt, was wie wir wissen, tatsächlich üblich war. Eine hübsche, junge Frau musste damit rechnen, auch mit Belästigung höheren Dienstpersonals. :boese:

Ich denke Janes Angst hat mehr mit ehelicher Körperlichkeit, als echter Lebensphilosophie zu tun. Es muss für sie schlichtweg ein Horror gewesen sein, sich von einem ungeliebten Menschen begatten zu lassen, denn anders kann man ehelichen Vollzug in dem Zusammenhang nicht nennen.



Ich denke das ist ein ganz wichtiger Punkt über den man zwar nur zu spekulieren vermag, der aber trotzdem naheliegend ist.
Frauen , gerade die der höheren Gesellschaftschicht erduldeten körperliche Liebe. Soooo wurde es ihnen vermittelt, es war ihre Aufgabe als Ehefrau ihren Männern zu Willen zu sein, was nicht heissen darf das sie am Akt als solchen Spass oder gar Leidenschaft empfinden durften.
Zu Janes Zeiten starben viele Frauen viel zu jung im Kindbett.
Unter Schmerzen gebären vermittelte der Prediger sei ihre Aufgabe.
In P&P wird dies an Lydia verdeutlich, ihr Lebenswandel geprägt durch Exesse......sie war ihrem Galan schon vor der Hochzeit zu Willen und hatte offensichtlich auch noch Vergnügen daran wird von Austen klar verurteilt.
Ebenso die Verbindung einzig zu dem Zwecke sich zu reproduzieren ( Lady Cathrine) war abzulehnen.
Schon die Mütter vermittelten ihren Töchtern eine frigide Haltung wäre das was man von ihnen erwartete.
Die Kirche ließ Leidenschaft in keiner Weise zu, diese galt als teuflisch und somit verderblich.
Die Männer gingen wie auch schon vor der Ehe zu den Huren und vergnügten sich dort auf eine Weise, die ihnen das Ehebett nicht zu bieten vermöchten ...eben auch jene hoch geprießenen Gentlemen.
Kann sich einer vorstellen, das ein 37 jähriger Knighley eine männliche Jungfrau war.....es tut mir leid, dafür reicht man Neigung zu romantisieren leider nicht.
Seit wann dürfen sich Frauen ihrer Bedürfnisse bewußt sein?
Solange ist das noch nicht her.

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 Betreff des Beitrags: Re:
BeitragVerfasst: Mittwoch 20. August 2008, 11:12 
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Alethea hat geschrieben:
Aber eigentlich heißt dieser Thread ja "Charlotte Lucas' Frauenrolle" und wir sollten vielleicht mal wieder dahin zurückkehren... :biggrin:


Ja,ja....gleich.

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