Bruki hat geschrieben:
Du fragtest einmal, warum Mr. Darcy nicht erkannte, dass Jane in Bingley verliebt war... Nun, warum hat er das wohl nicht erkannt? – Und „wieso sollte er Elisabeth besser einschätzen können????“ Jane trug ihre Gefühle nicht offen zur Schau – was dagegen Miss Elizabeth Bennet (ganz genüsslich und beinahe unverblümt) tat, wenn sie Mr. Darcy auf jede nur denkbare Weise angriff und ihn öffentlich oder vor seinen Freunden und Verwandten herabzusetzen versuchte... Dafür gibt es im Buch reichlich Textstellen... Lies das im Buch nach und beantworte Dir Deine Frage dann selbst.
Ich sehe schon Elisabeths Handeln, aber wie hier schon mehrmals erwähnt wurde, kann man einige Sachen darin auch als Flirten verstehen. Und Mr. Darcy wirft Elisabeth selbst vor, dass sie ihn willentlich missversteht, aber sie versteht ihn wirklich nicht und das erkennt er nicht, bis er seinen Antrag macht. Und dass sie ihn darauf hinweist, dass ein gewisser Weg ihr Lieblingsweg ist, kann der liebe Darcy auch als Aufforderung sehen, sie häufiger zu begleiten. Sie ist in ihrem Verhalten zwar deutlich, aber Darcy, der in sie verliebt ist, legt ihr Handeln völlig falsch aus. Das war, was ich sagen wollte. Und der Hinweis auf Jane sollte nur noch deutlicher machen, dass Mr. Darcy nun einmal nicht immer richtig liegt mit seinen Einschätzungen von Menschen.
Bruki hat geschrieben:
Wo wir gerade dabei sind... Ich möchte Dich noch auf eine Ungenauigkeit hinweisen: Wir sprachen von „berechtigten und unberechtigten Anschuldigungen“ bzw. „Anwürfen“ und ich fragte Dich, warum unberechtigte weniger schmerzen sollten als berechtigte... In Deiner Antwort schriebst Du jedoch von „berechtigter und unberechtigter Kritik“... Ich glaube, Du verfasst auch Fännficktschän? Bist also eine Frau, die mit Worten umgehen kann... Hast Du das Gefühl, „Kritik“ und „Anschuldigung“ seien dasselbe? – Vielleicht bist Du eine sehr junge Frau und hast noch nie unter unberechtigten Anschuldigungen leiden müssen... Glaub mir, es gibt nichts schlimmeres und nichts, gegen das man sich schlechter verteidigen kann, als Gerüchte, insbesondere wenn sie anonym verbreitet werden und als üble Nachrede daherkommen...
Okay, Kritik und Anschuldigungen sind etwas verschiedenes, das weiß ich, habe ich aber verwechselt. Klar sind unberechtigte Anschuldigungen etwas Schlimmes, das stelle ich auch nicht in Abrede. Aber berechtigte Anschuldigungen sind meiner Meinung deshalb schmerzlicher, weil man seine eigene Fehlerhaftigkeit erkennen muss. Bei ungerechtfertigten Anschuldigungen hat man wenigstens ein ruhiges Gewissen. Man weiß, dass das, was andere über einen sagen nicht stimmt, man kann sich zwar schwer verteidigen und das tut weh, aber man muss sich selbst keinen Fehler eingestehen. Und Fehler eingestehen ist denke ich, etwas, was große Charakterstärke erfordert. Es erfordert die Einsicht, dass man nicht perfekt ist, eine Einsicht, die eigentlich jedem klar ist, aber immer wieder schwer ist, sich neu einzugestehen. Es fällt uns allen leichter, dass Opfer einer ungerechten Anschuldigung zu sein, als zuzugeben, dass jemand mit seinen harten Anschuldigungen Recht hat, vor allem, wenn die Stellen, die er an uns kritisiert und verurteilt, Dinge sind, auf die wir großen Wert legen. So wie Mr. Darcy großen Wert darauf legt ein Gentleman zu sein. Und die Erkenntnis, dass sein Verhalten nicht das eines Gentlemans war, war sicher bitter. Hätte er Lizzies Vorwürfe einfach zurückweisen können, hätte er ihre Abneigung nur mit den Lügen Wickhams erklären können, wäre es für ihn sicher leichter gewesen sich damit abzufinden.
Achso, Bemerkungen über mein Alter verbitte ich mir. Ich denke, jeder kann seine Meinung unabhängig vom Alter äußern. Und da ich schon berechtigte und unberechtige Anschuldigungen ertragen musste, weiß ich wovon ich spreche. Und dass für mich die Frage immer am schmerzlichsten ist, ob jemand mit seinen Worten über mich tatsächlich Recht hat? Und wenn man diese Frage mit Ja beantworten muss, tut das sehr weh, mehr als, wenn man sich sagen kann, dass die betreffende Person einen einfach nicht richtig kennt.
Und was daran verwerflich ist Fanfictions zu schreiben, weiß ich auch nicht, aber eine Diskussion darüber, führen wir besser woanders.
Man bekommt vielleicht von dienern oder Freunden nichts geschenkt, aber man bekommt bei jahrelangen Bekannten schon eher mal einen Vertrauensvorschuss. Jemanden, den ich schätze und respektiere, dessen Stärken ich kenne, werde ich mehr verzeihen als einem Wildfremden, oder? Aber wie ich mich zu meinen engsten Vertrauten verhalte, kann ich mich nicht Fremden gegenüber verhalten. Sie verstehen nicht meine Beweggründe und werden mir Patzer nicht verzeihen. Zum Beispiel würde ich mich mit meiner Mitbewohnerin (die ich ein Jahr kenne) nie so streiten wie mit meinem Bruder oder ner guten Freundin, weil ich nicht weiß, wie sie es aufnehmen würde. Es ist einfach eine bestimmte Art der Höflichkeit sich gegenüber Fremden liebenswürdig und freundlich zu verhalten und nicht gleich alle Macken und Charakterschwächen heraushängen zu lassen. Mr. Darcy gibt sich keine Mühe das zu tun, nein er will überhauptnicht gefallen, er will nicht nett sein zu Menschen, die er nicht kennt, die ihm nichts bedeuten und die außerdem noch gesellschaftlich unter ihm stehen. Das kritisiere ich an ihm. Bei Bingley, der um seine guten Seiten weiß, kommt er mit seinem Verhalten durch, bei Elisabeth nicht, einer Fremden nicht. So ist es nun einmal: Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck! Und das müsste auch Darcy bekannt gewesen sein, nur war ihm der Eindruck, den diese Menschen von ihm hatten völlig egal.
Bruki hat geschrieben:
Arme Becci, Du bist Our Lady scheinbar ganz und gar auf den Leim gegangen...
Aber ohne Zweifel wirst Du beim Weiterlesen feststellen, dass Elizabeth zwar eine gute Beobachterin ist, aber ihre Interpretationen des Verhaltens Mr. Darcys auch in der 2. Hälfte des Romans noch furchtbar zu wünschen übriglassen
... Du meine Güte: „ein Antrag am nächsten Morgen in Lambton“ „er zieht sich nach der Geschichte mit Lydia erst mal wieder ziemlich zurück“, „er wirft nun jegliche Hoffnung einschließlich Mut über Bord“
... da wird die arme Elizabeth noch ein paar nette kleine Überraschungen erleben von wegen, wessen Herz hier „in die Hose gerutscht“ ist...
Ich habe nie behauptet, dass Elisabeth Darcy richtig einschätzt, oder? Das war wohl mehr eine Interpretation von dir. Und ich habe auch nicht gesagt, dass Elisabeth nicht mit Ängsten zu kämpfen. Das hat sie nämlcih natürlich, aber sie ist meiner Meinung nach nicht die Einzige, die mit Unsicherheit und Ängsten zu kämpfen hat. Und das sagt uns Darcy sebst in Kapitel 60, wenn ich mal wieder vorgreifen darf
Er sagt, er war unsicher und hat nicht mit ihr geredet, weil sie ihn nicht ermutigt hat. Sagt man das von einem Mann, der weiß, was er will und darauf zielstrebig zugeht? Und dann gibt er zu, dass seine Tante ihn erst dazu gebracht hat zu hoffen und Elisabeth einen Antrag zu machen. Von einem mutigen Helden, der in jedem Fall seiner Angebeteten den Hof macht, kann hier also keine Rede sein, so gern man das auch hier lesen würde.
Ich weiß ich gebe meine Meinung sehr "decidedly for a person so young", aber ich kann sie auch begründen
Gruß,
Becci