Das ist also das Kapitel, in dem Fanny wirklich Stärke zeigt, wie ich finde. Zwar bricht sie äußerlich zusammen und sitzt da wie ein Häufchen Elend, aber sie hält dicht, obwohl der Druck wirklich gewaltig ist.
Im Grunde kann man vielleicht sagen, dass das ganze Dilemma auf zwei Dinge zurückzuführen ist: 1. will Fanny nicht zugeben, dass sie Edmund liebt und 2. will sie nicht verraten, dass Henry mit Mary zu viel geflirtet hat. Den ersten Punkt kann ich nachvollziehen, beim 2. frage ich mich, ob sie nicht doch ganz leicht etwas hätte andeuten können, aber das hätte wohl harte Nachfragen gegeben... Jedenfalls: Dass sich das Drama jetzt noch steigert ist doch irgendwie ab jetzt auch Fannys schuld, oder? Tragisch: Egal, was sie tut, es wird böse enden... Für Fanny bricht alles zusammen, wie Julia schreibt, und sie begibt sich endgültig in die Opferrolle einer typischen Romanheldin: Ihre Liebe und ihr Edelmut werden ihr zum Verhängnis...
Julia hat geschrieben:
Das entlarvt meiner Meinung nach erstmals ganz deutlich die Doppelbödigkeit und Doppelmoral mit der Sir Thomas in seinem Haus und als zentrale Autorität seiner Familie agiert. Fannys hochedle Prinzipien, ihre Standfestigkeit und Überzeugungen sind nur solange lobenswert, solange sie nicht mit seinen Vorstellungen von dem was richtig ist kollidieren. Sie werden nicht eigenständig respektiert oder anerkannt, sondern nur solange sie mit seinen eigenen übereinstimmen, solange er sie formt und begründet.
Vielleicht hast Du recht, denn dass Sir Thomas ein großer Patriarch ist, denke ich auch. Und doch bin ich wieder etwas milder gestimmt: Denn Du hast ja selbst betont, dass es damals völlig normal war, dass man aus wirtschaftlichen Erwägungen geheiratet hat, dass Sir Thomas Fanny beim besten Willen nicht verstehen kann, ist also realistisch. Für ihn ist Henry doch der Traummann für seine Nichte, und dass sie ihn haben kann, freut ihn glaube ich zutiefst - was für ihn spricht. Und wie Du auch erwähnst: Er kann von ihrer Liebe nichts wissen (übrigens nett gemacht, wie er plötzlich den Verdacht hat, Fanny könnte ein Auge auf Tom oder Edmund geworfen haben und das von Fanny dementieren lässt, um sicher zu gehen...). Aber dass Liebe für Sir Thomas nur Beiwerk ist, finde ich nicht: Im nächsten Kapitel sagt er ausdrücklich, dass er sie nicht überreden wolle, gegen ihre Neigung zu heiraten. Das greift genau den berühmten Satz aus diesem Kapitel auf: "Wie trostlos und unverzeihlich, wie hoffnungslos und verworfen es war, ohne Zuneigung zu heiraten." Das weiß auch Sir Thomas. Er kann nur nicht verstehen, wie man Henry nicht mögen kann bzw. wie man ausschließen kann, ihn mit der Zeit zu mögen (das sehen Henry und Charlotte Lucas sicher genauso
).
Also ich würde Sir Thomas noch nicht zu hart verurteilen, wobei es natürlich schon extrem hart ist, wie er sie hier angeht. Das, also die Form vor allem, finde ich besonders kritisch, weil er damit tatsächlich etwas von seinem herrischen Charakter offenbart.