Ich glaube, in diesem Kontext ist eine "Kette" ist für Anhänger gedacht und ein "Halsband"/Collier ein eigenständiges Schmuckstück.
Miss Hamilton hat geschrieben:
Das ist allerdings ein komisches Verhalten. Vielleicht liegt es ja an schwesterlicher Intuition und Mary ahnt seine Gefühle schon? Oder sie sieht nichts weiter dabei, weil Fanny ja bei dem Plan eigentlich gar nicht erfahren sollte, dass es ein Geschenk von Henry and sie (Fanny) ist. Sie soll nur wissen, dass Henry das Halsband irgendwann gekauft hat. Und so denkst sich Mary möglicherweise, es sei nichts unschickliches dabei?
Meinem Eindruck nach hält Mary die Tändelei momentan für nicht viel mehr als einen von Henrys Flirts und ist auch überzeugt davon, Fanny würde wissentlich "mitspielen" und auch
wissen, dass Mary nur die Schnittstelle zwischen Fanny und Henry ist und somit das Geschenk letztendlich auch als das annehmen als was es gedacht ist:
(...) and with an eagerness and embarrassment quite diverting to her companion, she laid down the necklace again on its cotton, and seemed resolved either to take another or none at all. Miss Crawford thought she had never seen a prettier consciousness. (...)
"Well, then," replied Miss Crawford more seriously, but without at all believing her, "to convince me that you suspect no trick (...)"Der ganze Dialog ist doch von Marys Seite aus sehr spielerisch und Fannys sehr ernsthaft, was Erstere allerdings nicht wahrhaben will. Dieses Missverständnis wird in ein paar Kapiteln ja noch aufgeklärt.
Dann mach ich mal gleich weiter:
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Kapitel 27
Fanny trifft bei der Heimkehr auf Edmund, der in ihrem Zimmer ebenfalls mit einer Kette wartet. Fanny ist völlig außer sich. Ihre Freude auf den Ball am nächsten Tag wird nur temporär von ihren Tanten und Edmunds Leiden getrübt, der sich ungewöhnlich offen über seine Hoffnungen auf Mary ausspricht._______________________________________________________
Ich glaube hier wird bisher am Deutlichsten, wie sich die Erzählstimme auch über Fanny lustig macht (oder zumindest eine große ironische Distanz zu ihr aufbaut) - in diesem Fall über
Fannys Gefühlsausbruch bei Edmunds Geschenk (und angefangenem Brief!) und auch noch bei ihren Reflektionen über ihre Gefühle für Edmund allgemein, sowie ihrer Reaktion auf Edmunds Geständnis auf der Treppe. Fanny hat hier ganz schön zu kämpfen, ihrem eigenen Anspruch an sich ("
the heroism of principle") gerecht zu werden - und angesichts der Wortwahl scheint die Autorin auch wirklich Spaß daran zu haben
Entlarvend auch, wieviel mehr sie sich darüber freut dass Edmund an sie gedacht hat, als das es sie beeindruckt hat, dass Mary/Henry ebenfalls ihr Dilemma mit Williams Geschenk registriert haben (was abgesehen von den "unlauteren" Motiven die dahinter stecken, ja wirkliche Aufmerksamkeit bedeutet!).
Fast ebenso deutlich ist die Szene in der Fanny "überglücklich" (
with delightful feelings) feststellt, dass Henrys Halsband (weil "zu groß") nicht durch die Öse von Williams Kreuz* passt, Edmunds Kette aber schon. Bin ich die Einzige, die hier die offensiv-sexuelle Komponente sieht? Die springt einen ja förmlich an ...
Zumindest die Symbolik, dass William und Edmund für Fanny "zusammengehören" - das Ideal der geschwisterlichen Liebe, das beide (für sie) verkörpern.
Und ich muss hier auch nochmal mit dem Thema
Dankbarkeit kommen: Edmunds Argumentation, Fanny müsse das "Opfer" (
sacrafice) bringen und Marys Halsband auch gegen ihren Willen tragen, weil diese sich schließlich so freundlich ihr gegenüber gezeigt hätte dass Fanny ihr sozusagen "verpflichtet" (
obliged) wäre, ist ja schon fast pathologisch-suggestiv:
(...) and to be returning them with what must have something the air of ingratitude, though I know it could never have the meaning, is not in your nature, I am sure. "Undankbarkeit" ist so ein Knopf, der bei Fanny immer zündet, das weiß offensichtlich auch Edmund - und drückt ihn. Dankbar
sein allein reicht nicht, Fanny muss auch etwas dafür
tun, um es zu beweisen.
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*) Ich glaube, in so ziemlich jeder Biographie oder Anmerkungen zu MP steht, dass JA und Cassandra von ihrem seefahrenden Bruder Frank ein ebensolches Kreuz geschenkt bekommen haben, oder?