Julia hat geschrieben:
Udo hat geschrieben:
Übrigens: Frau Maletzke sagt in ihrer JA-Biografie über Fanny, sie nehme unter allen JA-Heldinnen den Spitzenplatz ein! Darauf muss man erst mal kommen...
Allerdings ...
Ich hab die Biographie nicht - wie kommt sie denn darauf? Bzw. in welchem Zusammenhang steht diese Äußerung?
Sie schreibt über Persuasion: "Anne Elliot (...) ist gewiß nicht Austens beste Heldin - dieser erste Platz gehört Fanny Price -, aber ihre erwachsenste." Weiter begründet wird das nirgends. Ich finde, dass Fanny und Anne die beiden Heldinnen sind, die man am ehesten vergleichen kann. Aber während Fanny mir nicht sehr sympathisch ist, mag ich Anne wirklich sehr - eigentlich erstaunlich, wo doch beide eher demütig, duldsam, pflichterfüllend und zurückhaltend sind. Ein Unterschied ist aber offensichtlich, scheint mir: Anne steht mit beiden Beinen im Leben und ist nicht so unglaublich moralisch wie Fanny. Wobei mir ein Aspekt einfällt, der hier im Forum vor Jahren mal angesprochen wurde: Die These, dass man Fanny nicht mag, weil sie einem die eigenen Defizite bewußt macht - wenn man sie ansieht, hat man ein schlechtes Gewissen. Ob da was dran ist?
Miss Hamilton hat geschrieben:
Das ist schon so, aber eine gewisse "Charakterstärke" kann man Fanny nicht absprechen. Immerhin hat sie ihre Prinzipien und steht auch dazu. Sie kann sie mitunter auch recht energisch vertreten, finde ich: Ihre Reaktion auf die Aufforderung, eine Rolle zu übernehmen oder eine noch kommende Episode, wo sie etwas bestimmtes ganz entschieden ablehnt, komme was wolle... (wir haben Erstleser unter uns und ich will nicht spoilern)
Vieles, was Charakterstärke ausmacht, trifft (wenigestens zum Teil) auf sie zu:
Zitat:
...wichtige persönliche und soziale Tugenden, insbesondere entschiedenes Eintreten für Überzeugungen, Pflichtbewusstsein, Ausdauer, Mut (Zivilcourage) und moralische Konsequenz.
Also bis jetzt wird uns Fanny aber vor allem als zart, empfindsam, ängstlich und kränkelnd vorgestellt, oder? Sie hat zwar sicher tiefe moralische Prinzipien und soziale Tugenden, aber das sie entschieden für ihre Ansichten eintritt, kann ich bis jetzt nicht finden: In der Theaterszene hat sie ja eben nicht für ihre Ansichten gefochten, sondern immer nur in größter Verzweiflung beteuert, sie könne nicht Theater spielen. Auch mit Ausdauer, Mut (Zivilcourage) und moralischer Konsequenz hat ihr Verhalten nur wenig gemein, denn dann wäre sie dem Theater sicher in jeder Hinsicht ferngeblieben. Aber okay, da kommt vielleicht noch was...
Caro hat geschrieben:
Im Übrigen ist es ein Trugschluß, dass die Protagonisten immer auch "Helden" im Sinne des Wortes sein müssen, also mutig, stark und kämpferisch. Das Gute ist mitnichten immer stark und kämpferisch. Die meisten Menschen, die ich im wahren Leben als "gut" und meine "Helden" bezeichnen würde sind eher leise und bescheiden, als überaus stark, energisch und selbstbezogen.
Ich überlege gerade, wann ich zuletzt einen Roman gut gefunden habe, in dem der wichtigste Protagonist ein echter "Held" war... Hm... Ah, jetzt weiß ich es: Old Shatterhand! Den fand ich gut!
Ist es nicht eher so, dass man mehr oder weniger unwillkürlich versucht, das Denken und Empfinden von Romanfiguren nachzuempfinden - und je nachdem, wie gut es gelingt, "mag" man die Figur oder fühlt zumindest mit ihr? Jedenfalls bei "normalen" Romanen. Mit einem Herrn K. oder einem Adrian Leverkühn kann man sich wohl eher weniger "identifizieren", was dem Lesegenuss aber ja keinen Abbruch tut. Fanny ist dagegen für mich vor allem eine gute Seele, die mir meistens leid tut - und manchmal geht sie mir auf die Nerven.
(Mir ist neben Old Shatterhand noch eine Heldin eingefallen: Thursday Next!)
Übrigens finde ich die Szene, in der Sir Thomas auf Mr. Yates trifft, mal wieder sehr slapstick-mäßig - manchmal kann JA es einfach nicht lassen...