Bin auch durch. Und na ja, meine Begeisterung hat gegen Ende noch ein wenig nachgelassen.
Abstrus finde ich, dass Dobbs im Nachwort schreibt, man lese Austen, um "den durchlöcherten Werten und dem kitschigen Blendwerk unserer heutigen Zeit zu entfliehen". Da war ich froh, dass ich das erst im Nachwort gelesen habe, sonst wäre ich mit noch mehr Vorurteilen an ihren Text rangegangen...
Schade oder fragwürdig finde ich wie Elanor, dass Dobbs schreibt, sie gehe davon aus, dass Austen nicht von ihrer „bewährten und gebrauchsfertigen Formel“ abweichen wollte. Deshalb lässt sie die Handlung nach dem bekannten Strickmuster weiterlaufen: Charlotte und Sidney verlieben sich ineinander, ohne dass sie dies beim jeweils anderen bemerken, es gibt einige Missverständnisse und am Ende das übliche Happy End. So könnte es durchaus von Austen geplant gewesen sein - aber man könnte ja auch, wie Julia angemerkt hat, mal davon ausgehen, dass Austen mal was Anderes vorhatte. Aber da will ich mal nicht ungerecht sein: Hätte Dobbs tatsächlich eine so gar nicht austenmäßige Story geschrieben, wäre der Aufschrei vermutlich erst recht groß gewesen - jedenfalls dann, wenn sie nicht gerade einen wirklich tollen Roman verfasst hätte.
So aber presst Dobbs die in 12 Kapiteln entwickelte Story, bzw. die Figuren, denn eine richtige Story ist ja noch gar nicht erkennbar, in ein vermeintliches Austen-Schema - und heraus kommt für mich tatsächlich eine simple Lovestory, dabei würde ich bleiben.
Die von Austen bereits eingeführten Nebenfiguren (sofern sie es denn sein und bleiben sollten) entwickeln sich bei Dobbs kaum weiter, was jedoch kein Fehler sein muss, man kann so tatsächlich feststellen, dass sie Austen einigermaßen treu geblieben ist, das sehe ich auch so wie Elanor. Wo die Figuren sich doch entwickeln, etwa bei Arthur Parker und Miss Lambe, wirkt es halbwegs plausibel oder, wie bei Sir Edward Denham, reichlich überzogen. Dass Jane Austen eine regelrechte Entführung, bzw. ein gemeinsames spontanes Durchbrennen, gutgeheißen haben könnte, finde ich mindestens fraglich, zumal wenn die Umstände dies so wenig nötig machen wie bei Dobbs. Für mich jedenfalls wirkt Lady Denham nicht so grauenhaft, dass man vor ihr fliehen müsste. Und dass Elizabeth es schon richten werde, scheint mir auch nicht überzeugend als Rechtfertigung für eine so gravierende Tat. Charlotte macht spontan mit, was ich gar nicht nachvollziehen kann.
Die zweite, echte Entführung jedoch, bei der Sir Edward Charlotte kurzerhand in eine abgelegene Jagdhütte verschleppen will, ist vielleicht heiter, aber inklusive wilder Kutschfahrt doch eher abwegig. Das passt für mich nicht in einen Austen-Roman, da dreht Sir Edward einfach zu sehr durch.
Abgesehen von solchen Übertreibungen erinnern einige Motive wie gesagt an frühere Austen-Romane, vor allem die heimliche Verlobung zwischen Henry Brudenall und Clara Brereton, die ihr Gegenstück ja wohl in
Emma bei Frank Churchill und Jane Fairfax findet. Was ich aber am Schlimmsten finde: Vertan hat Dobbs die Chance, eine echte, spannungsreiche Verbindung zwischen Charlotte und Sidney zu knüpfen. Im Grunde verhält sich Sidney ja genau so, wie Emma es nicht tun sollte: Er lenkt, leitet und arrangiert, wie er es für richtig hält. Charlotte beäugt dies zwar anfangs leicht kritisch, zugleich aber kann sie sich seinem Charme nicht entziehen, was wiederum dazu führt, dass sie dazu übergeht, ihr eigenes Innenleben erstaunt sie beobachten, weil sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben verliebt. Ich finde, da passiert zu wenig zwischen den beiden. Klar, zwischen Anne und ihrem Captain Wentworth passiert auch nicht viel, aber da wird die Spannung zwischen den beiden von Austen schon ziemlich gut beschrieben. Hier schaut Charlotte nur zu und veguckt sich.
Trotzdem kann man die Fortsetzung von Dobbs durchaus lesen, sie ist ja nicht grottenschlecht geschrieben oder so – sie erfüllt aber gar nicht meinen Wunsch, eine überzeugende Antwort auf die Frage zu bekommen, wie Jane Austen ihr Werk wohl beendet hätte.