pauli hat geschrieben:
Die einzige ehrliche Person ist Marianne. Sie spielt nicht mit in diesem hier von den Ladies aufgeführten Intrigantenstadel und tritt (natürlich) voll in den rieseigen Fettnapf, als es zum Treffen von Elinor, Luzy und Edgar kommt. Arme Marianne!
Und erst die Herren! Klägliche Figuren allesamt - nur einige Beispiele:
- Edgar: Ist scheinbar von der Situation völlig überfordert.
- Der Bruder:
Lässt sich nur zu gern von seiner Frau in seinem Geiz bestätigen, auch wenn diese andere Motive hat. - Sir John: Ist nur an Pferden interessiert und daran, dass seine Bekannten "umgängliche Burschen" sind.
Welcher Edgar? Du meinst sicher Edward, oder?
John Dashwood steht gewissermassen unter dem Pantoffel, so wie Edward sich nicht traut eine "Jugendverlobung" zu lösen, aber immerhin steht er zu seinem Wort, auch wenn er es nicht schafft, sich gegen die Mutter durchzusetzen. Ich mochte ihn im Grunde auch nie wirklich, er ist mir zu weich. Ehrlich, sich zu einer Zeit von den Frauen den Schneid abkaufen zu lassen, als sdie Männer das sagen hatten und Frauen kaum Rechte besassen, ist wirklich lachhaft, aber auch das gab es anscheinend. Wie sonst wäre Mrs. Ferrars die Verwalterin der Familiengüter und- Gelder und nicht längst der erwachsene Erstgeborene. Selbst im Falle, dass eine Frau erbte, war das eingeschränkt in und sollte verhindern, dass das Familienerbe statt an die männliche Seite ihrer Familie durch sie direkt/indirekt an die Familie ihres Gatten überging. Oft gab es deshalb spezielle Erbverfügungen, für den Fall, dass nur eine Tochter als Erbin blieb.
Unglaublich, jedoch typisch für Edward ebenfalls, dass er nicht gegen die Enterbung ankämpfte, als der jüngere Bruder, nun seinerseits Erbe genau die Dame (?) heiratete, wegen der er selbst enterbt wurde.
Zu Sir John: Darin ähnelt er wohl vielen anderen Burschen. Im übrigen weiß er auch ganz genau, wieviel die Güter der anderen Gentlemen einbringen, wobei das natürlich wichtig war, wenn man Kinder hatte, die in naher oder ferner Zukunft verheiratet werden sollten oder auch überhaut direkt/indirekt Geschäften nachging, und sei es nur in diverse Projekte der Ost-Indien-Kompanie zu investieren.
Willoughby ist auch nicht besser, und gibt mehr Geld, als hat aus für Jagdhunde, Pferde, Schneider und die üblichen Vergnügungen junger Männer.
@Udo
Wieso findest du JA böse?
Sie hat Marianne als Romantikerin gezeichnet, deren Nerven nicht gerade die besten sind, na und? Das ist nicht böse, sondern schlicht Realität. "Himmelhochjauchzend und Zutodebetrübt" gibt es immer noch. Marianne war von Anfang an leichtgläubig, naiv und offenherzig und hat dafür die Quittung bekommen, das ist nicht schön, aber musste sein. Den Ritter und Retter auf edlem Ross gab es schon zu JAs Zeiten nicht mehr wirklich. Es gab einfach viel zu viele Spieler, Bonvivants, Schönlinge, Lackaffen etc als hätte man dem blossen Schein trauen dürfen und wie Elinor richtig bemerkte, gleich ihr Herz auf der Zunge tragen und ihm ein bodenloses Grundvertrauen entgegnbringen, war nicht nur naiv, sondern dumm, fast sogar unanständig. Und egal was Willoughby tat oder sagte, sie himmelte ihn an. Nicht zu vergessen das Grundvertrauen ihrer Familie und der Gesellschaft, die nicht anzweifelte sie wäre längst verlobt gewesen, als sie mit Willoughby ganz allein durch die Gegend fuhr und sogar das Heim seiner Tante besuchten, und das ohne deren Anwesenheit, wie konnte sie nur?!
Und als Marianne preisgeben musste, dass sie nicht verlobt war, hielt Elinor eisern zu ihr und sagte, Willoughby habe sich so verhalten, dass es einer Verlobung gleichkam. Übrigens verdreht Jane Austen auch hier wieder den Grundsatz eigentlich erst die Eltern (also die Mutter, oder sogar einen Onkel) um Erlaubnis zu fragen, ehe man um die Hand anhält. Ebenso Mariannes verzweifelten Versuche mit Willoughby in Kontakt zu treten, als klar war, dass er mit ihr nichts mehr zu tun haben wollte. Wie kann sie als Frau ihrer Zeit, ja eigentlich eine junge Dame, ihm so sehr hinterherlaufen und sich ihm überhaupt so an den Hals werfen.
JA ist hier nicht böse. Marianne verhält sich grundsätzlich sehr grenzwertig und muss nun mal einen Dämpfer kriegen. Und würde sie hier nicht so sehr leiden, würde sie sich einem Colonel Brandon, den sie ja selbst verlacht hatte über den sie gerade mit Willoughby lachte, nicht zuwenden. Sie muss nun einmal durch eine harte Schule, wie sonst sollte eine Marianne ihre Fehler einsehen und einen Mann lieben lernen, der nun auf den ersten Anschein nicht der Held ist, der charakterlich aber gerade der Ritter ist, den sie sich ersehnt hat?
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Grüsse, Caro
Avatar: Amelia Darcy (1754-1784)
Für 1 Jahr säe einen Samen, für 10 Jahre pflanze einen Baum, für 100 Jahre erziehe einen Menschen. chin. Weisheit